Liebe Wittenerinnen und Wittener,

in der vergangenen Ratssitzung am 13.09.2021 hat unsere Fraktion folgenden Dringlichkeitsantrag eingebracht:

„Rechtssicherheit der Ratssitzung gewährleisten: Kein Ausschluss von Ratsmitgliedern auf Basis umstrittener „3G-Regel“

Hintergrund dieses Antrages ist, dass die von Ihnen gewählten Mandatsträger nur noch unter Beachtung der sogenannten 3G-Regel an den Sitzungen und Ausschüssen des Rates teilnehmen können, also, wenn diese nachweisen, entweder gimpft, genesen oder getest zu sein.

Die AfD Ratsfraktion Witten hält einen solchen Eingriff in die freie Ausübung des Mandats – insbesondere auf Basis der Corona-Schutzverordnung – für unzulässig, weil hierdurch bislang nicht erforderliche und angewandte Hürden zur Ausübung des Mandats gesetzt werden. Das Verwaltungsgericht in Minden hatte sich dieser Auffassung vor einiger Zeit angeschlossen und den Ausschluss eines AfD-Ratsherrn für rechtswidrig erklärt. Gegen diese Entscheidung ist Revision beim Oberverwaltungsgericht NRW eingelegt worden. Eine finale Entscheidung in dieser Sache steht aktuell noch aus, wird allerdings  – da es sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtschutz handelt – zeitnah erwartet.

Der Bürgermeister unserer Stadt hatte den Dringlichkeitsantrag unserer Fraktion am 13. September nicht im Rat zur Abstimmung gestellt, da der Sachverhalt nach seiner Auffassung die Kompetenzen des Rates und der Verwaltung überschreitet.

Da ein Mitglied unserer Fraktion die Erfüllung der 3G-Regel als Voraussetzung zur Teilnahme an Sitzungen kategorisch ablehnt und aus diesem Grunde von der vorbenannten Ratssitzung ausgeschlossen wurde, besteht für die durchgeführte Sitzung des Rates nun ein rechtlicher Schwebezustand, dergestalt, dass bei einer entsprechenden Gerichtsentscheidung zu Gunsten der Rechtswidrigkeit der 3G-Regel für Mandatsträger in der derzeitigen Form, sämtliche getroffenen Entscheidungen des Rates angefochten werden können.

Für diesen Fall hat der Bürgermeister unserer Stadt vorsorglich den 04.10.2021 als Termin für die Nachholung der Ratssitzung festgelegt. Es bleibt abzuwarten, ob bis dahin eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW in dieser Sache vorliegt. Wir bleiben hier selbstverständlich dran…

Die zur FUNKE Mediengruppe gehörende WAZ Witten hat vor diesem Hintergrund gestern bei uns nachgefragt. Lesen Sie nachstehend die Fragen der WAZ sowie unsere Antworten darauf im vollständigen Wortlaut:


Anfrage der WAZ Lokalredaktion, Frau Stephanie Heske:

Guten Tag Herr Renkel,

in der letzten Ratssitzung wollte Ihre Fraktion einen Eilantrag einbringen, der die Aussetzung der 3G-Regeln für Rats- und Ausschusssitzungen gefordert hat. Der Rat hat sich nicht mit dem Antrag befasst, weil er aus dessen Sicht nicht in seine Zuständigkeit fällt.

Kontextualer Hinweis der AfD: Erlauben Sie mir an dieser Stelle den freundlichen Hinweis, dass nicht der Rat unserer Stadt „sich nicht mit dem Antrag befasst (hat), weil er aus dessen Sicht nicht in seine Zuständigkeit fällt“, sondern Herr Bürgermeister König entschieden hat, den von uns in der Ratssitzung am 13.09.2021 eingebrachten Dringlichkeitsantrag nicht in die Tagesordnung einzubringen und somit darüber abstimmen zu lassen. Der Rat hat demzufolge nicht über unseren Dringlichkeitsantrag beraten können.  

Wenngleich wir die vom Bürgermeister getroffene Entscheidung selbstverständlich akzeptieren, so legen wir Wert auf die Feststellung, dass wir im Vorfeld der Ratssitzung dem Bürgermeister den Vorschlag zur Güte unterbreitet haben, das von uns infolge der 3G-Regel von der Ratssitzung am 13.09.2021 ausgeschlossene Ratsmitglied im Saal zu separieren, so dass die Ratssitzung ohne rechtlichen Anfechtungsgrund – also rechtssicher – hätte durchgeführt werden können. Unser Vorschlag entsprach damit auch einem zwischenzeitlichen Erlass des Düsseldorfer Kommunalministeriums vom 17.09.2021, mit dem die Landesregierung Rechtssicherheit schaffen möchte, bis ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) NRW in dieser Streitfrage vorliegt. Konkret schreibt das Ministerium hierzu in seinem Erlass:

„Räte, die nicht geimpft, getestet oder genesen («3G-Regel») sind, können an Ratssitzungen nordrhein-westfälischer Kommunen vorerst zwar weiter teilnehmen, müssen jedoch abgesondert sitzen. Personen, die ihr individuelles Schutzinteresse höher als das der Allgemeinheit bewerten“, seien daher so zu platzieren, „dass von ihnen keine gesundheitliche Gefahr für die Allgemeinheit“ ausgehe.

Bitte beachten Sie dazu auch folgenden Link:
https://www.zeit.de/amp/news/2021-09/17/nrw-uebergangsregelung-zur-3g-pflicht-in-ratssitzungen

Nun meine Fragen an Sie:

  • Wie geht die AfD-Fraktion mit dieser Entscheidung um?

Antwort der AfD: Wie zuvor bereits erwähnt, akzeptieren wir die Entscheidung von Herrn Bürgermeister König. Wir werden ungeachtet dessen so verfahren, wie wir es in unserem Dringlichkeitsantrag formuliert haben und vom Urteil des OVG NRW unsere weitere Vorgehensweise abhängig machen. Der Ball liegt damit beim OVG NRW, darüber zu entscheiden, ob es rechtsstaatlichen Prinzipien entspricht, gewählte Mandatsträger auf Basis einer Corona-Schutzverordnung in der Ausübung Ihres freien Mandats einzuschränken, oder nicht. Wir sind der Auffassung, dass dies auf dieser Rechtsgrundlage so nicht zulässig ist, u.a. deshalb, weil ein kommunaler Mandatsträger Teil der kommunalen Selbstverwaltung ist und diese aus guten Gründen unter dem Schutz des Grundgesetztes Artikel 28 steht. Für uns steht das Grundgesetz an erster Stelle, nicht eine auf dem Verordnungswege implementierte Rechtsnorm.

  • Nehmen Ihre Ratsmitglied weiterhin an den Sitzungen teil? Legen Sie die erforderlichen Nachweise vor?

Antwort der AfD: Mein Kollege Jan Eickelmann und ich nehmen an allen Sitzungen des Rates und seiner Ausschüsse unter Erbringung der aktuell erforderlichen Nachweise teil. Unser Fraktionsmitglied Karin Heike Hoppe, wird an den Sitzungen ebenfalls teilnehmen, wenn eine endgültige Klärung des Sachverhalts gerichtlich festgestellt wurde, oder der Bürgermeister gemäß des zuvor erwähnten Erlasses vom 17.09.2021 agiert und Frau Hoppe die Teilnahme unter vorgenannten Bedingungen ermöglicht.

  • Haben Sie bzw. Ihre Fraktion schon einen oder mehrere Beschlüsse angefochten, wie Sie in Ihrem Eilantrag schreiben? Haben sie das vor? Und wenn ja, welche?

Antwort der AfD: Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir nichts dergleichen getan, da ein Urteil des OVG NRW noch aussteht und wir uns strikt an der Rechtsprechung orientieren werden. Sofern das OVG NRW jedoch zu dem Urteil kommt, dass der Ausschluss von Frau Hoppe in der Ratssitzung am 13.09.2021, sowie der Ausschluss von einem weiteren Ratsmitglied aus einer anderen Fraktion, nicht rechtens war, so werden wir von unserem Recht Gebrauch machen und sämtliche Beschlüsse auch gerichtlich anfechten, die in der Ratssitzung am 13.09.2021 vom Rat der Stadt getroffen wurden.

  • Wäre es eine Option für sie, ebenfalls mit dieser Thematik vor Gericht zu ziehen?

Antwort der AfD: Ja.

  • Was spricht aus Ihrer Sicht gegen die derzeit gängige Regel, dass nur Genese, Geimpfte oder negativ Getestete an den Sitzungen teilnehmen dürfen?

Antwort der AfD: Abgesehen von der bereits zuvor beschriebenen rechtlichen Problematik, also der u.E. erforderlichen Höhergewichtung der freien Mandatsausübung als Teil der kommunalen Selbstverwaltung (Stichwort: Art. 28 Grundgesetz) gegenüber einer einfachen Rechtsverordnung auf Landesebene, spricht zudem die Verhältnismäßigkeit gegen die Einrichtung einer Hürde für gewählte Mandatsträger bei der Ausübung Ihrer kommunalpolitischen Verpflichtungen. Ich darf Sie daran erinnern, dass der Rat der Stadt Witten fast das gesamte letzte und auch dieses Jahr bis zur Einführung eben jener Regel, ohne jede Voraussetzung des Nachweises einer „Immunisierung“ oder eines Tests zusammengekommen ist, ohne dass es zu einer einzigen nachgewiesenen Infektion dabei gekommen wäre. All dies im Übrigen bei deutlich höheren Inzidenzwerten, als wir sie heute verzeichnen. Insofern sind unsererseits bestehende Zweifel an der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit einer solchen Regel angebracht.